Astana: Die neue Hauptstadt

Eine junge Republik sucht ihre Identität.

Kasachstan 2018

Aus dem Zerfall der Sowjetunion ging Kasachstan 1991 als unabhängige Republik hervor. Der junge Staat ist seither flächenmässig das neuntgrösste Land der Welt – und trotzdem weitgehend unbekannt.

Nach dem jahrzehntelangen Primat der sowjetischen Kultur baut Kasachstan an einer neuen Identität, unter der Führung des allmächtigen Staatspräsidenten Nursultan Nasarbajew. Das sichtbarste Zeichen der neuen Identität ist die neue Hauptstadt. Bereits 1994 verlegte Nasarbajew seinen Regierungssitz von Almaty in die bisher unscheinbare Provinzstadt Akmola und benannte diese in Astana um, was auf Kasachisch schlicht «Hauptstadt» bedeutet.

Wie baut sich ein autoritärer Staat in unwirtlicher Umgebung auf fast unbeschränktem Land eine repräsentative Stadt? Dieser Frage ging der Fotograf Damian Poffet bereits in seiner Arbeit über die chinesische Stadt Ordos in der Inneren Mongolei nach. Wie Ordos liegt Astana in einem riesigen Steppengebiet. Poffet interessiert sich in seinem fotografischen Werk für den gigantischen Massstab solcher Planstädte auf der baumlosen Fläche. Seine Bilder konfrontieren die ehrgeizige Architektur mit der raschen Abnützung schnell hochgezogener Bauten unter extremen klimatischen Bedingungen. Oder er zeigt Überreste einer alten Siedlung nebst Neubauten, stets bemüht um einen unvoreingenommenen Blick.

Kasachstan befindet sich im gewaltigen Transformationsprozess von einem fremdbestimmten Land mit nomadischen Wurzeln hin zu einer emanzipierten Hauptstadt auf dem internationalen Parkett. Poffets Bilder lassen erahnen, dass sich dieser Prozess in unterschiedlichen Geschwindigkeiten vollzieht. So schnell wie eine neue Hauptstadt gebaut ist, kann sich eine Gesellschaft gar nicht verändern.

Text: Patrick Probst

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